Testbericht
Ventus 17,6cT
Als vor
einigen Jahren ein Anteil an einem Ventus17,6cT in einer Haltergemeinschaft
frei wurde, überlegte ich nicht lange. Mein Traum vom eigenen, unabhängigen
Flieger zu einem günstigen Preis wurde wahr.
Inzwischen
brachte ich mehrere 100 Stunden im Cockpit zu. Fazit: ein tolles Flugzeug, das
nur in einer Situation etwas Aufmerksamkeit benötigt.
Das Aufrüsten
ist, wenn der erste Flügel mit Hilfe einer Flächenstütze sauber ausgerichtet wird,
sehr einfach. Der leichte Flieger lässt sich zu zweit bequem schieben.
Für Piloten
bis 1,85m Größe ist das Cockpit ausreichend. Kleinere Flieger können sogar
etwas erhöht auf einem 25mm Dymofoam-Kissen Platz
nehmen. Das Kissen verhindert zuverlässig Druckstellen an stark belasteten
Körperteilen.
Ich fliege ihn
am liebsten mit hinterer Schwerpunktlage. Deshalb ist beim Windenstart Vorsicht
angebracht. Volles Drücken beim Anschleppen verhindert ein Aufbäumen. Im
F-Schlepp wird mit Klappenstellung „-2“ angerollt. Bei ca. 40 km/h kann dann
auf „+1“ gewölbt werden. Nach dem Abheben lässt sich der Widerstand durch
vorsichtiges Rasten von „0“ verringern.
Nach dem
Ausklinken starte ich regelmäßig den Motor, da die Thermik an unserem Platz in
der Frühe nicht zuverlässig einsetzt. Bei korrekter Handhabung des Motors
benötigt der Ventus 50-70 m Höhe bis der Motor rund läuft. Danach steigt er mit
1,5 m/s.
Wir haben
inzwischen ein Cambridge 302 Vario eingebaut. Dieses Vario spricht fast
verzögerungsfrei auf Thermik an. Und im Gegensatz zum mechanischen Vario geht
es bei nachlassendem Steigen oder fallender Luft genauso schnell zurück. In
Verbindung mit einer esa-Düse verhält sich das System
genau wie in der Theorie beschrieben. Die niedrige Zeitkonstante ist nicht
jedermanns Sache. Ein träges Vario benötigt anderseits ein sehr sensibles
Hinterteil, das ich nicht habe. Der Flieger zeigt deutlich an, wo die Thermik
steht. Für meinen eher weichen Flugstil ist die
Wendigkeit ausreichend, ein 15m Flieger lässt sich schneller in den Bart
werfen. Volle Ruderausschläge sind selten nötig.
Eine sehr
angenehme Eigenschaft des Ventus17,6cT ist das Aufrichten beim Ziehen. Da beim
Einflug in das Steigen die Fahrt zunimmt, zentriert man durch Ziehen den Bart
sehr einfach. Oftmals muss nicht mal bewusst aufgerichtet werden. Allerdings
muss der Flieger auch gezielt auf seiner Schräglage gehalten werden.
Nach vielen
Versuchen bin ich überzeugt, dass der Flieger mit Klappenstellung +1 am besten
steigt. Bei dieser Klappenstellung hat er auch gutmütige Überzieheigenschaften.
Beim Annähern an die Überziehgeschwindigkeit klappern die Motorabdeckungen und
das Höhenleitwerk schüttelt. Weiteres Ziehen quittiert er mit dem
Herunternehmen der Nase oder bei sehr bewusstem Überziehen mit einem langsamen
Abkippen zur Seite. Wer Spaß haben möchte, macht das Ganze mit Klappenstellung
„L“. Aber nur in sehr sicherer Höhe, denn dann ist das Flugzeug extrem giftig.
Es zeigt seine Flugunwilligkeit immer noch sehr deutlich an, geht dann aber
schlagartig und deutlich weg.
Der 17,6cT ist
bei nicht zu hohen Geschwindigkeiten besser als ein Discus 2cT. 50 Liter
Wasser machen ihn deutlich schneller. Wenn der Kumpel mit dem Ventus 2
gelegentlich eine Ehrenrunde dreht, sind auch gemeinsame Streckenflüge möglich.
Mücken mag das Profil nicht, regelmäßiges Putzen ist zwingend.
Die Kopplung
der Trimmung mit den Wölbklappen erinnert den Piloteur durch höhere Knüppelkräfte ans Setzen der korrekten
Wölbklappenstellung. Normalerweise muss die
Grundeinstellung der Trimmung während eines Flugs nicht verändert werden.
Glücklicherweise, denn die Einstellschraube ist nicht bequem erreichbar.
Irgendwann
muss man landen. Schon das Handbuch warnt vor der Klappenstellung „L“. Da die
Querruderwirkung auch bei „+2“ deutlich nachlässt, lande ich ihn mit „+1“. 5 km/h
höhere Aufsetzgeschwindigkeit spielen auf einem Flugplatz keine Rolle. Die
Bremsklappen wirken gut, Slippen geht auch. Das Abfangen lässt sich gut
steuern. Und nun kommt die einzige kritische Situation: nach dem Aufsetzen muss
auf „-2“ umgewölbt werden, sonst ist die
Wahrscheinlichkeit eines Ringelpitzes sehr hoch. Vor
dem Umwölben darf auch nicht zur Seite hinausgerollt
werden. Der Vorgang ist gut machbar, denn die Bremsklappen bleiben draußen. Man
muss halt daran denken. Dann wirken die Querruder fast bis zum Stillstand.
Alles in Allem
ist der Ventus 17,6cT ein Flugzeug, das dem anspruchsvollen Genussflieger für
vergleichsweise niedrige Kosten viel bietet. Wettbewerbe lassen sich damit
nicht mehr gewinnen (außer der Pilot gleicht die Polare aus). Dafür können auch
große Streckenflüge ohne Risiko einer langen Rückholaktion unternommen werden.
Ach so: mit 15
m lässt er sich auch fliegen. Einen Vorteil habe ich darin nicht gesehen.
Guido Hasel