Test Glasflügel Kestrel H-401
Vorwort:
Hallo! Da ich mich immer freue, hier neue Testberichte zu lesen, wollte
ich nun auch gerne etwas dazu beitragen.
Zwar habe ich nicht besonders viel Erfahrung auf dem Kestrel, aber als
mein absolutes Lieblingsflugzeug möchte ich trotzdem gerne einen
Bericht darüber schreiben! Netterweise darf ich den zweiten gebauten
Kestrel, welcher einem guten Freund gehört, fliegen. Der Kestrel ist
Baujahr `69 und damit schon ein Oldtimer! Wenn man aber generell die
Glasflügel Flugzeuge mit anderen Segelflugzeugen vergleicht, staunt
man, wie modern und fortschrittlich sie noch heute sind. Auf manche
Dinge sind sogar Flugzeughersteller bis heute nicht gekommen. So kann
ich in dem Kestrel mit meinen fast 2.00 Metern bequem (ja, mit Schirm)
sitzen! - wow -; Das geht noch nichtmal in einer Ls4. (zumindest
nicht, ohne dabei gleichzeitig zu bremsen). Dazu aber später.
Als der Kestrel Anfang `69 in Serie ging, überzeugte er sofort
durch die Erringung des Deutschen Meistertitels der Offenen Klasse. Vom
17-Meter Kestrel wurden 129Stk. gebaut, von der späteren
Slingsby-Version mit 19-Metern 100Stk.
Technik:
Wie es in vielen Büchern heißt "war der Kestrel seiner Zeit
voraus gewesen". Mit seinen 17 Metern Spannweite ist er der Vorreiter
der heutigen 18-Meter-Klasse. Die Gleitzahl liegt zwischen 41,5 und 43.
Er besitzt Wölbklappen, welche sich 1/3 bei Querruderauschlag
mitbewegen und ihn somit schön wendig machen; vergleichbar mit dem
Discus. Also ganz flott. Die Wölbklappen können von -8° bis + 12°
gerastet werden. Für die Landung können die Wölbklappen um weitere
23° auf insgesamt 35° gebracht werden.
Dieser zweite Kestrel unterscheidet sich zu den späteren Kestrels
durch noch oben und unten ausfahrende Bremsklappen, sowie einen etwas
kürzeren Rumpf. Unter Anderem charakterisierend für den Kestrel ist
der stark verjüngte Rumpf direkt hinter den Flächen. Es sieht einfach
tot-chick aus. Ebenfalls fällt das steile und hohe Seitenleitwerk auf.
Elegant ist die lange zweiteilige Haube, die bisauf der Strebe in der
Mitte eine tolle Sicht bietet, jedoch einen schlechten Ein-/ und
Ausstieg. Viele Kestrels sieht man deshalb nur noch mit
nachgerüsteter, einteiliger Haube. Das Vorderteil (Cockpit, Schnauze,
Haube) des Kestrels erinnert ganz stark an DG`s...
Die automatischen Ruderanschlüsse sind heutzutage in jedem neuen
Flugzeug vorzufinden. Eine echt klasse Erfindung. Der Kestrel besitzt
allerdings vorerst nur automatische Ruderanschlüsse für die
Wölbklappen und die Landeklappen. Die Querruder müssen noch von Hand
angeschlossen werden.
Weiterhin begeisternd ist die Trimmung. Kurz am Knüppel mit dem
kleinen Finger auf den Knopf gedrückt und schon hat man getrimmt.
Auch das haben sich viele abgeguckt. Man könnte so viele Kleinigkeiten
aufzählen. So zum Beispiel auch die Seitenruderanlenkung. Beim Kestrel
ist sie im Rumpf versteckt. Sogar bei jetzt noch neu gebauten
Flugzeugen gucken am Schwanz hinten noch Hutzen raus. Naja...
Das Zusammenstecken der Flügel erfolgt durch
Zunge-Gabel-Verbindung, wobei die Flügel, durch Bolzen an den Enden
der Holmstummel, welche jeweils in die andere Tragfläche greifen,
selbsthaltend sind. Zentral wird nur ein kleiner Bolzen, so dick wie
der kleine Finger, reingesteckt, der in Prinzip nur gegen
Auseinanderrutschen sorgt.;-)
Lediglich die Schlitzverkleidung erinnert mich an ein altes Flugzeug!
An ihr befestigt ist die Klapphaube, die nach oben arretiert werden
kann. Total klasse für damals!
Das Höhenleitwerk ist auch super-einfach zu befestigen. Sehr
einfach draufschieben und mit einem kleinen federbelastetem
Schnappverschluss sichern. Es fliegt nicht noch ein Bolzen oder Knauf irgendwo rum, wie bei vielen anderen Mustern. Das kleine
Trimmruder muss allerdings noch extra angeschlossen werden. Das geht
aber in 2 Sek.
Ein Flügel wiegt ca. 75kg; das Leergewicht beträgt so um die 260kg.
Dementsprechend gut steigt der Kestrel auch, womit ich auf das Fliegen
zu sprechen kommen möchte.
Fliegen:
Hat man in dem geräumigen Cockpit in Schlummer-Lage erstmal Platz
genommen, kann es losgehen. Man fühlt sich sofort wohl. Die Ergonomie
ist gut, wobei einem sofort die vielen Hebel ins Auge fallen. Ich finde
das nicht schlimm, denn man muss ja nicht an allen ziehen, aber
anscheinend, und anderen Berichten zu urteilen, erschreckt das viele
Leute.
Für den Start fährt man die Wölbklappen am Besten auf die erste
Positiv-Stellung, dann steigt der Kestrel eigentlich ganz wunderbar.
Kritisches konnte ich beim Windenstart nie feststellen, bisauf, dass
wenn wirklich viel zu langsam angeschleppt wird, die Ruderwirkung
einfach super gering ist. Aber das ist ja bei fast allen alten Rennern
so. Während des Starts kann man seine Füße wunderbar sehen. Wenn
zuviel gezogen wird (ja, das hab ich auch mal gemacht) taumelt der
Kestrel ein bisschen; es ist nicht weiter schlimm, aber muss nicht
sein, und wie verrückt beim Windenstart zu ziehen ist sowieso einfach
nur doof.
Endlich oben angekommen, klingt das Flugzeug von selbst aus. Das
Fahrwerk wird eingefahren und man kann erstmal austrimmen. (einfach
kurz auf den Knopf drücken!). Die Ruderabstimmung finde ich
hervorragend und einfach harmonisch, auch ähnlich des Discus. (ob sich
die Ruderabstimmung deutlich durch die späteren längeren Rümpfe
verändert hat weiß ich nicht). Mit der leichtgängigen
Parallelsteuerung, wie der Kestrel sie hat, fliegt es sich toll.
B
In Turbulenzen oder Thermik bleibt der Kestrel ruhig. Angekündigt wird
die Thermik oft durch Knartschen der Schlitzverkleidung. Das ist zwar
nicht besonders schön, aber stört mich nicht weiter. Desweiteren liegt
er sehr "weich" in der Luft. Im Gegensatz zum Discus, von dem ich
empfinde, dass er eher "harte" Flächen hat, federt der
Kestrel schön weich. Klingt vielleicht komisch, ist aber so.
Wie schon gesagt steigt der/ die Kestrel in der Thermik schön. Das
Vorfliegen geht auch gut von statten, wobei die Polare ab 140km/h,
vergleichend mit der Ls4, mehr in den Keller gehen. Dafür kostet er
aber auch nur die Hälfte und ist doppelt so alt! Im Bereich zwischen 80
- 130 km/h ist der Kestrel aber ein ernstzunehmender Gegner, bzw.
netter Flugpartner.
Der Langsamflug ist total unproblematisch. Trudeln hat das Flugzeug
verweigert. In diversen Foren steht allerdings, dass der Kestrel
anfällig für High-Speed-Stalls ist. FUml;r viele Segelflieger ist das
gar kein Begriff, deshalb kurz die Erläuterung. Wenn man bei hoher
Fahrt zu zügig zieht, kann die Strömung dem Profil nicht folgen. Der
Flieger setzt deshalb nicht, wie erwartet, Fahrt in Höhe um.
Bestätigen kann ich das nicht, weil ich es noch nicht ausprobiert habe.
Nun zur Landung. Anfluggeschwindigkeit liegt so bei 100km/h. Vorher
muss man jedoch noch die Wölbklappen auf Landestellung setzen. Dazu
zieht man einen Hebel aus dem Instrumentenpils zu sich hin. Das
wiederum klappt nur, wenn man wirklich nicht schneller als 100km/h
fliegt. Man kriegt ihn sonst einfach nicht rangezogen! Die
doppelstöckigen Landeklappen wirken gut, wie ich finde; nicht ganz so
gut, wie bei der Ls4 oder gar K7, aber in Ordnung. Die Landeklappen
rutschen beim Loslassen nicht wieder rein, sondern bleiben stehen,
damit bei Bedarf auch noch der Bremsfallschirm gezogen werden kann. Ich
habe das noch nicht ausprobiert aber desöfteren gesehen. Der Anflug
ist dann.ähm.ziemlich steil, ja.
Beim Ausschweben merkt man erheblich den Bodeneffekt, den das Flugzeug
durch die starke Anstellung der Wölbklappen hat. Versucht man ohne
Landeklappen zu landen, kriegt man das Flugzeug einfach nicht an den
Boden. Auch den Fehler habe ich erst gemacht. Solch ein Bodeneffekt war
mir vorher (ohne Wölbklappenerfahrung) nicht bekannt. Seitdem ziehe ich
beim Abfangen die Klappen gleichmäßig komplett raus, und es klappt
wunderbar. Man braucht keine Angst zu haben, dass der Flieger auf den
Boden fällt. Das Landen macht inzwischen richtig Spaß; und gestaltet
sich einfach. Wenn man aufgesetzt hat kann die Bremse, die
(umständlich) unter dem Steuerknüppel angebracht ist, benutzt werden.
Fazit:
Der Kestrel ist allem in allen ein wunderschönes Flugzeug. Sowohl
vom äußeren Erscheinungsbild, als auch vom Fliegen. Er hat nicht die "kurzen"; 15 Meter, aber auch nicht gleich 20, sondern schöne 17m.
Das gefällt unheimlich gut.
Bei Wettbewerben ist nichts mehr zu reißen. Mit dem Index von ! 112 !
und der Wettbewerbsklasse 18-Meter hat man einfach gar keine Chance.
Der Index von 112 spricht aber eigentlich schon für ein tolles
Flugzeug.
Ich will nicht zu viel in hohen Tönen von dem Flugzeug sprechen, sonst
werden die ohnehin schon raren Angebote dieses Flugzeuges nur noch
rarer. In den Kleinanzeigen findet man einen Kestrel nur ganz selten.
Abschließend möchte ich nur sagen, dass der Kestrel für mich
einfach das schönste Flugzeug ist welches es gibt. Er vereint den Begin
der Kunststoffära, aber zugleich auch technische Eigenschaften, die bis
heute erhalten geblieben sind, und somit also gleichzeitig auch die
Moderne.
Wölbklappen, 17-Meter Spannweite, unglaublich viel Platz, eine
tolle Gleitzahl, harmlose Flugeigenschaften und eine aerodynamisch
tolle Form machen dieses Flugzeug unheimlich attraktiv für mich.
Es ist eben kein 0-8-15 Flugzeug.
Korrektur gelesen und verbessert wurde der Text durch meinen
Bruder Sören, der wohl mindestens genauso verliebt in das Flugzeug ist
wie ich.
Ansonsten beruht dieser Bericht aber nur auf meinen (wenigen)
Erfahrungen, also entschuldigt, ihr Kestrel-Besitzer, wenn ich was
Falsches gesagt habe! Gerne lasse ich mich aber verbessern: Michel_Schaefer@gmx.de
Ein großer Dank gilt demjenigen, der mir ab und an die große Freude macht den Flieger zu fliegen! Danke.