..am liebsten in der
Luft..
Das ist eine berechtigte
Frage. Ich fliege in Stölln bei Berlin, und der Interessierte weiß, daß es im
Osten praktisch keine wirklichen Oldtimer gab. Man hat sie in den 70ern
schlichtweg verbrannt oder andere ähnlich sinnvolle Dinge damit angestellt..
Jedenfalls trugen wir uns
schon lange mit dem Gedanken, daß auf Lilienthals Flugplatz auch wenigstens
eine ‚Fliegende Kiste’ gehört, und das Baby stand ganz oben auf der
Wunschliste. Irgendwann stand dann eines bei www.segelflug.de
zum Verkauf, und ein paar Wochen nach dem ersten Anruf und einer
abenteuerlichen Abholung (passender Hänger? Fehlanzeige) stand es tatsächlich
auf einmal auf dem Hof.
Das Grunau Baby ist in
mehrfacher Hinsicht ein Rekordflugzeug. Zum einen dürfte es mit
Konstruktionsjahr 1930/31 das älteste Segelflugzeug sein, das noch in mehreren
Exemplaren fliegt. Zum anderen dürfte die Gesamtstückzahl von über 5.000
gebauten Babys auf absehbare Zeit konkurrenzlos bleiben und den Neid jeder
heute noch existierenden Herstellerfirma wecken.
1931 hat Edmund Schneider
in Grunau das erste Baby gebaut und eingeflogen. Ein für den kleinen
Geldbeutel erschwingliches Fluggerät sollte es sein, und so entwickelte
er ein Segelflugzeug, welches einen guten Kompromiß zwischen Preis
und Leistung darstellte und von vornherein auch für den Gruppennachbau
gedacht war.
Das Baby ist dann kontinuierlich
weiter entwickelt worden. Vor dem Krieg gab es noch die Versionen II/IIa und
IIb, und 1951 die Version III (mit Haube). Für ganze 90,- DM konnte man damals
einen Bauplan kaufen und den Segler dann in der eigenen Werkstatt bauen, was
das Baby zu einem sehr populären Flugzeug machte. So ist übrigens auch unser
Baby mal entstanden, als Werkstattbau 1952 in Böblingen.
Das Grunau Baby war
in allen Versionen eine einfach aufgebaute und solide Konstruktion aus
Kieferleisten, Sperrholz und Leinwand. Es war wahlweise mit Kaurit oder
Kasein Leim zu verarbeiten, wobei Exemplare mit der letztgenannten
Substanz nur bei sehr guter Lagerung die Jahre bis heute überlebten.
Durch sein geringes
Gewicht und die Spannweite von nur 13m ist das Baby ausgesprochen
handlingfreundlich. Unser Baby hat ein kleines Zweiradkullerchen, das mit einem
starken Dorn in ein Loch in der Kufe greift, damit kann man das Baby auf dem
Platz gut bewegen. Nur in der Halle ist es etwas umständlicher (aber zur Not
kann man das Baby ja auch zu fünft tragen!). Vor dem Höhenleitwerk sind am
Rumpf zwei Griffe angebracht; aber zum Heben reicht schon ein kräftiger Flieger
aus. In der Halle kann am es mit einem Bock hochstellen und braucht so gut wie
keinen Platz in der Halle.
Schon wenn man vor dem
Flugzeug steht, stellt man fest, daß die (Größen-)verhältnisse vor 70 Jahren
doch anders waren als heute. Die Sitzposition teilt einem dann auch gleich mit,
daß sie nicht wirklich für Leute über 1,75m gedacht ist (ich bin aber 1,90m
groß). Die Pedale waren damals noch nicht verstellbar, also gewöhn’ Dich lieber
gleich an leicht angehockte Beine. Im Gegensatz zur Ka6 ist einem dabei das
Instrumentenbrett glücklicherweise nicht im Weg und es geht ohne blaue Flecken
ab. Um einen Fallschirm mitnehmen zu können, muß man sowieso schon fast ein
Zwerg sein.
Ist man über 1,80m groß,
beginnt man schnell, den Verzicht auf die wichtigste Ausrüstungsoption zu
erwägen – eine Haube stört doch eh’nur (der aufmerksame Betrachter wird merken,
daß sie auf allen meinen Bildern fehlt). Für kleinere Piloten ist sie durchaus
sinnvoll, weil man hinter dem Windschutz auch wirklich geschützt sitzt; größere
Piloten lernen schnell, warum Quax immer mit Lederbekleidung und Fliegerbrille
in seine D-EMMA kletterte – außerdem sieht man so doch viel besser aus.
Stammtischfrage für alle
Baby-Flieger und alle, die es werden wollen: was sind die idealen Bedingungen
für einen Windenstart mit dem Baby? ..Rückenwind..?? Tatsächlich, wenn eine leise Brise von hinten
säuselt, kann man gemütliche Starts bei Tempo 70 erleben. Bei normalen
Windverhältnissen muß der Windenfahrer schon besonderes Geschick entwickeln, um
einen nicht über den zulässigen 80 km/h zu schleppen. Die Roll-, oder besser
Gleitstrecke am Start beträgt bei jedem Wetter nur wenige Meter, und schon ist
man in der Luft. Dasselbe gilt auch für Flugzeugschlepps, wo man gut hinter
einem UL starten kann. Eine neuere Schleppmaschine hat häufig etwas Mühe mit
Schlepps bei maximal 100 km/h.
Bei stärkerem Seitenwind
merkt man dann allerdings schnell, daß man zügig voll gegensteuern muß. Hat man
das getan, darf man dann zwei bis drei Sekunden warten, ehe man erfreut
feststellt: ah, es passiert was. Am Seil ist die Ruderwirkung etwas schwerfällig.
Bei normalem Wind sind
die Starts aber ziemlich unproblematisch, und ist man erstmal oben, kommt das
Schönste...
Meine ersten Eindrücke
waren so etwa die folgenden: 1.) Man kann tatsächlich ohne Plexihaube fliegen!
2.) Hier kann man ja den Arm rauslegen wie bei einem Manta Cabrio 3.) Es gibt
ein Leben unter Tempo 70. Erreicht man dann die erste Thermikblase, kommen als
nächste Eindrücke hinzu: 4.) Fliegen findet mit dem Hintern statt und 5.) Ich
wollte schon immer mal einen Kreis in Frühstückstellergröße fliegen.
In der Luft ist das Baby
ein ausgesprochen gemütliches und anspruchsloses Flugzeug. Man kann es selbst
bei Tempo 50 noch gut fliegen und es reagiert auch gut auf alle
Ruder-bewegungen. Bei dem geringen Gewicht des Flugzeugs wird einem der
Eintritt in die Thermik durch kräftige Drücke am Sitzfleisch mitgeteilt. Schon
30-Grad-Kreise sind so eng, daß man damit den Neid jedes anderen Piloten wecken
kann und das Flugzeug steigt gut.
Allerdings sollte man den
Aufwind nicht hinter einer Superorchidee verlassen, sonst hat man schnell das
unangenehme Gefühl, in einem Fahrstuhl abwärts zu stehen. Die
Gleitflugleistungen sind natürlich im Vergleich zu jedem anderen Segler
bescheiden, einmal gewonnene Höhe muß klug verwaltet werden; aber dafür ist der
Spaßfaktor umso höher.
Wer sich mal so richtig
über die hohen Temperaturen unter einer Flugzeughaube geärgert hat, wird
außerdem feststellen, daß man mit vernünftiger Kleidung (Jacke, Haube, Brille!)
sehr angenehm unterwegs ist und so gut wie keine Kopfschmerzen bekommt.
Nur die Sitzposition ist
auf Dauer unangenehm, so daß der Rücken irgendwann nicht mehr mitspielt. Aber
was tut man nicht alles... Aber Spaß beiseite: bei mir waren drei Stunden die
physische Grenze für einen Baby-Flug und ich erwäge ernsthaft regelmäßiges
Rückentraining.
Auch das Landen ist nicht
schwer. Die Klappenwirkung ist anständig, Slips werden ausgesprochen brav
ausgeführt und man steht nach wenigen Metern. Ich könnte mir vorstellen, daß
Landewettbewerbe (beim Abfliegen o.ä.) öfters eine einseitige Angelegenheit
sind, wenn ein Grunau Baby teilnimmt.
Die gut gefederte Kufe
hält auch die Rückenbelastung beim Landen in Grenzen, und so hat man dann alles
in allem einen wirklich schönen Flug erlebt.
Das Grunau Baby ist ein
Flugzeug ohne wirkliche Konkurrenz. Wer wirklich wissen will, warum Fliegen
schön ist, sollte mal in ein Baby steigen.
Aber Vorsicht! Das Baby
fühlt sich in der Luft am wohlsten und besitzt erhebliches Suchtpotential. So
überlegt man dann bald, ob es nicht noch Steigerungsmöglichkeiten für das
Oldtimer-Feeling gibt ...
Grüße aus Stölln
Peter